Nacht.Musik - Metamorphosen - Visions de la nuit
Programm
Richard Strauss - Metamorphosen für Streichseptett
Michel Rosset - Visions de la nuit für Streichseptett (Uraufführung)
Felix Mendelssohn Bartholdy - Oktett Es-Dur op. 20
Ensemble Sinfonietta Sankt Gallen
Violine - Piotr Baik, Christian Müller, Elena Neff Zhunke, Nadia Saladukhina
Viola - Ricardo Gaspar, Jana Stojamovic
Violoncello - Fernando Gomes, Jonathan Reuven
Kontrabass - Gil Brito
Der Verein Sinfonietta Sankt Gallen lanciert im Jahr 2025 die Konzertreihe Nacht.Musik, inspiriert vom 150. Jubiläum von Maurice Ravel und seiner Verbindung zur Komponistengruppe Noctuelles. Die Reihe widmet sich Klanglandschaften, die Nacht, Traum und Verwandlung thematisieren.
Michel Rossets neues Werk Visions de la nuit fügt sich perfekt in diesen Kontext ein und erlebt hier seine Uraufführung. Strauss' Metamorphosen bilden den Ausgangspunkt des Abends.
Kaum ein Werk bringt den Begriff so schmerzlich auf den Punkt wie Strauss’ späte, gleichnamige Komposition von 1945. Entstanden in den letzten Kriegswochen, ist sie ein musikalisches Klagelied, das nicht nur den materiellen Ruin Deutschlands beklagt, sondern auch den Zusammenbruch einer geistigen Welt. Strauss, 81-jährig, reagierte erschüttert
...
show more
Nacht.Musik - Metamorphosen - Visions de la nuit
Programm
Richard Strauss - Metamorphosen für Streichseptett
Michel Rosset - Visions de la nuit für Streichseptett (Uraufführung)
Felix Mendelssohn Bartholdy - Oktett Es-Dur op. 20
Ensemble Sinfonietta Sankt Gallen
Violine - Piotr Baik, Christian Müller, Elena Neff Zhunke, Nadia Saladukhina
Viola - Ricardo Gaspar, Jana Stojamovic
Violoncello - Fernando Gomes, Jonathan Reuven
Kontrabass - Gil Brito
Der Verein Sinfonietta Sankt Gallen lanciert im Jahr 2025 die Konzertreihe Nacht.Musik, inspiriert vom 150. Jubiläum von Maurice Ravel und seiner Verbindung zur Komponistengruppe Noctuelles. Die Reihe widmet sich Klanglandschaften, die Nacht, Traum und Verwandlung thematisieren.
Michel Rossets neues Werk Visions de la nuit fügt sich perfekt in diesen Kontext ein und erlebt hier seine Uraufführung. Strauss' Metamorphosen bilden den Ausgangspunkt des Abends.
Kaum ein Werk bringt den Begriff so schmerzlich auf den Punkt wie Strauss’ späte, gleichnamige Komposition von 1945. Entstanden in den letzten Kriegswochen, ist sie ein musikalisches Klagelied, das nicht nur den materiellen Ruin Deutschlands beklagt, sondern auch den Zusammenbruch einer geistigen Welt. Strauss, 81-jährig, reagierte erschüttert auf die Zerstörung Münchens, insbesondere der Oper, wo viele seiner Werke uraufgeführt wurden. Die «Metamorphosen» für 23 Solostreicher sind keine Anklage, sondern eine innere Reaktion – ein Werk von resignierter Trauer. In der Fassung für Streichseptett treten die Linien besonders durchsichtig hervor: Zarte Motive, die sich verändern, verschränken, wiederkehren – als wolle die Musik immer neu ansetzen, sich neu erinnern. Am Ende erklingt wie eine Gravur der Trauermarsch aus Beethovens Eroica, mit der Inschrift: In Memoriam. Ein musikalisches Nachbild der Zerstörung – Spur dessen, was verloren ist, ein vielstimmiges, introspektives Geflecht, in dem Linien sich auflösen und neu verbinden - ein Sinnbild musikalischer Metamorphose.
Visions de la nuit führt diese Klangwelt fort und lässt Traum, Erinnerung und Projektion ineinander übergehen. Mendelssohns Oktett Es-Dur op. 20 schließlich bringt nach den nächtlichen Visionen die Klarheit des Morgens: jugendliche Energie, Licht und Aufbruch. Kaum zu glauben, das Werk eines 16 - jährigen Genies!
Der französische Begriff vision kann sowohl eine Sichtweise als auch eine irreale Erscheinung bezeichnen. In den beiden Sätzen dieses Stücks begegnen sich zwei widersprüchliche Visionen der Nacht.
I. Obscure clarté / Dunkle Klarheit
Der Schatten - ausgedrückt in einer atonalen und seriellen Sprache - und das Licht - dargestellt durch eine polymodale Sprache, die zwischen dorisch und phrygisch oszilliert - beginnen einen Dialog, dann einen Tanzschritt (Siciliano triste), der schließlich in einen Kampf ausartet. Die Hoffnung versinkt in der Dunkelheit.
II. Ténèbres lumineuses / Leuchtende Dunkelheit
In den Tiefen der Dunkelheit entsteht und wächst nach und nach ein Licht, dann eine plötzliche, flüchtige und unwirkliche himmlische Erscheinung, gegen die sich die Dunkelheit erhebt. Ihre Rebellion wird schließlich besänftigt. Doch die Rückkehr der Hoffnung hat nichts Triumphales an sich - sie endet mit einem schwebenden Dur-Moll-Akkord.
show less